Wie viele berühmte Amerikaner hat auch Henry Ford, der Gründer der Ford Motor Company, seine Wurzeln in Irland. Wir begeben uns auf Spurensuche und finden neben dem Grab von Henry Fords Grosseltern eine alte Mühle, welche das Leben einer ganzen Region prägte.
Spannende Rundwanderung in West Cork!
Shannonvale liegt sanft eingebettet in den grünen Hügeln des County Cork. Bist du mit dem Auto in dieser Region unterwegs wird dir früher oder später ein Lastwagen der Firma “Shannon Vale Food” begegnen. Es handelt sich um den grössten Verarbeiter von Hühnerfleisch im County, welcher seit 1972 in der Ortschaft Gullane bei Clonakilty seine landesweit bekannten Produkte herstellt. Heute interessieren wir uns aber nicht für Hühner, sondern für eine interessante und lehrreiche Rundwanderung in der gleichnamigen Ortschaft – Shannonvale.
Phair’s Pub, alte Bauernhöfe und ein Steinkreis
Der Start der Rundwanderung findet beim einzigen Pub des Ortes statt, dem Phair’s. Ein alter, kleiner Pub welcher im hinteren Teil mit einem neumodischen Bau vergrössert, deswegen aber nicht verschönert wurde. Die Frontbar bietet aber nach wie vor einen heimeligen Tresen. Kinder finden hier übrigens ein kleines Paradies vor, da die Auswahl an Süssigkeiten schier endlos ist. Das ganze erinnert eher an einen Kleinkrämerladen, was ein irischer Pub ursprünglich auch war.
Der Ort selbst befindet sich oberhalb des Ardigeen Rivers, welchen wir später noch über eine alte Steinbrücke überqueren werden. Zuerst folgen wir einer Strasse zwischen zwei Häusern hindurch und laufen oberhalb des Flusses. Das Tal öffnet sich hier und je weiter wir gehen umso mehr sehen wir von der wunderbaren Graslandschaft von West Cork. Die Anfänglich recht verkehrsreiche Strasse verlassen wir bald und zweigen auf eine unbefestigte Nebenstrasse ab. Feld-, Baum- und Wiesenbestände wechseln sich ab und neben einigen neueren Häusern erspähen wir auch Bauernhäuser. Ich liebe diese alten Farmgebäude, welche so viel Charakter ausstrahlen. Meist führt eine schöne Allee mit dichtem Baumbestand und verwachsenen Trockensteinmauer zum Hof.
Bei solchem Anblick stelle ich mir immer gleich vor einen solchen Hof kaufen und renovieren zu können. Leider steht der nötige Lottogewinn für diesen Traum noch aus. Aus meinen Tagträumen reisst mich ein Gedenkstein gleich am Strassenrand.
Mittlerweile haben wir wieder Asphalt unter den Füssen und befinden uns auf der Hauptstrasse zurück nach Shannonvale. Das Denkmal erinnert an einen IRA-Offizier, welcher 1921 an dieser Stelle von einem Mitstreiter erschossen wurde. Dieser reinigte sein Gewehr als sich ein Schuss löste, welcher den Offizier tödlich traf. Shit Happens. Das nächste Highlight des Weges versteckt sich nun auf der linken Strassenseite, etwas oberhalb der Strasse.
Der Steinkreis von Temblebryan
Der Templebryan Stone Circle besteht heute noch aus fünf Steinen. Vier davon stehen und der fünfte Quarzstein liegt im Zentrum. Dieser ist als “Cloich Griene” bekannt. Übersetzt heisst der Quarzblock “Sonnenstein” und er soll der Namensgeber der Ortschaft Clonakilty sein.
Etwas weiter und oberhalb des Hügels steht – ebenfalls auf privatem Grund – ein Pillarstone mit feiner Inschrift. Unter diesem Ogham Stone liegt ein sogenannter Bullaunstone. Diese Steine verfügen über eine Art Becken und das in diesem gesammelte Wasser soll gegen Warzen helfen. Wir haben den Ogham Stone von der Strasse aus nicht gesehen, aber auch nicht speziell danach gesucht. Obwohl wir gleich nämlich Phair’s Pub wieder passieren sind wir noch nicht am Ziel.
Unsere Wanderung führt uns heute auf Nebenstrassen in einer art Acht rund um Shannonvale. Es geht weiter über die alte Steinbrücke über den Ardigeen, welcher einer der besten Flüsse in Irland fürs Lachsangeln ist. Rechterhand erhebt sich über die noch so grossen Baumwipfel der Turm der alten Mühle. Diese ist nicht öffentlich zugänglich, da in Privatbesitz. Ein herumkraxeln in der Ruine wäre wohl auch zu gefährlich. Bis zum Tor wagen wir uns vor. Ausser dem beeindruckenden Turm siehst du allerdings nicht viel. Dafür kann ich mir gut vorstellen wie früher das Leben, respektive die Arbeit, tobte.
Wieso “Shannonvale” und die Geschichte der Mühle
Die Mühle war fast 200 Jahre lang der grösste Arbeitgeber der Region und aus diesem Grund im ganzen Umland extrem wichtig. 1780 kaufte der Earl of Shannon das dortige Land um eine Fläche für das Bleichen von Leinen bereit zu stellen. Die Herstellung von Leinenfasern war dazumal ein imens wichtiger Wirtschaftszweig in West Cork. Die Fläche wurde als Shannonvale bekannt.
Der Kaufmann Robert Pratt kaufte das Grundstück 1788 und entschied eine Mühle darauf zu bauen. Diese wurde 11 Jahre lang zur Herstellung von Mehl genutzt, aber kam in anderen Besitz und es wurde eine Baumwollspinnerei daraus. 1823 wurde die Mühle erneut verkauft und nun wieder zum Mahlen von Getreide genutzt. Der Umbau führte zu einer Verdreifachung der Wasserkraft. Um die jährlich 8’000 Säcke Mehl aus dem Tal heraus transportieren zu können wurde ein Zubringer zur bestehenden Eisenbahn gelegt.
Da sich der Einsatz einer Lokomotive nicht lohnte wurde kurzerhand ein Pferd vor die beiden Bahnwagen gespannt, welches diesen brav Tag um Tag, Jahr um Jahr hin und her zog. “Paddy” – ein ruhiger Grauer – verrichtete diese Arbeit als Letzter und ging 1961 nach 15 Jahren im Dienst in den vollverdienten Ruhestand. Mit der Schliessung der Hauptlinie der Eisenbahn ging auch das Kapitel der Mühle von Shannonvale zu Ende. Wir trinken einen Schluck Wasser auf Paddy – an Hafer haben wir leider nicht gedacht – und kehren zur Strasse zurück.
Hier stehen einige Reihenhäuser, welche früher von den Arbeitern der Mühle bewohnt wurden. Wir passieren diese Wohnhäuser und lassen uns von einem Shannonvale im Kleinformat, welches ein Hausbesitzer in seinem Garten aufgebaut hat, faszinieren. Der nächste Wegpunkt ist ein Denkmal, nach welchem wir in eine kleine, aber geschichtsträchtige Naturstrasse einbiegen.
Die Schlacht an der grossen Kreuzung
Das Denkmal erinnert an den “Battle of the Big Cross”. In dieser Schlacht verloren die Truppen von Munster während dem Aufstand von 1798 gegen diejenigen der Krone. Es heisst, dass der River Ardigeen sich an diesem Tage blutrot färbte. Die unscheinbare Nebenstrasse wird aufgrund des damals dort stattfindenen Gemetzels “Botharín na Foladh” genannt. Übersetzt “kleine Strasse des Blutes”.
Es heisst, dass der River Ardigeen sich an diesem Tage blutrot färbte
Die Aufständischen wurden angeführt von O’Donovan Asna. Er und die Leibe seiner 100 toten Mitstreiter wurden am nächsten Tag in Clonakilty zur Abschreckung ausgestellt… Trotz der Vorstellung des Grauen welches sich hier zugetragen haben muss geniessen wir das mitgebrachte Gebäck und laufen die Blutstrasse entlang.
Immer Richtung der alten Kirche von Kilnagross. Genau hier wird sich der Kreis zur Einleitung mit Henry Ford schliessen.
Henry Ford und seine irischen Wurzeln
Hier in Kilnagross liegen die Grosseltern von Henry Ford begraben. Die Familie Ford stammt ursprünglich aus Somerseth in England, zog aber zusammen mit anderen protestantischen Siedlern nach Irland in die Provinz Munster. Queen Elisabeth I konfiszierte seinerzeit 600’000 Hektaren irisches Land in der Provinz Munster und ermöglichte so den Landsleuten einen Neustart. Es sei der Hinweis gestattet, dass die Einheimische katholische Bevölkerung mit diesem Vorgehen natürlich enteignet und vom eigenen Land vertrieben wurde.
John Ford jedenfalls – der Grossvater von Henry – lebte irgendwann im Familienheim Madame Estate in Crohane, bei Ballinascarthy. 1847 wurde aber auch er durch die Grosse Hungersnot gezwungen Irland zu verlassen und von Queenstown – dem heutigen Cobh – aus mit seiner Familie nach Amerika überzusiedeln. Die Familie liess sich bei Dearborn nahe Detroit nieder und widmete sich der Landwirtschaft. Henry interessierte herzlich wenig fürs Farmern, er war begeistert von Technik und zog bereits mit 16 Jahren aus.
Die weitere Geschichte ist bekannt. Henry gründete eines der grössten Automobilunternehmen der Welt. Zweimal besuchte er Irland. 1912 mit seiner Frau Clara Bryant Ford um Cork, Clonakilty und Bandon zu besuchen und 1917 um in Cork Henry Ford & Son Ltd aufzubauen. Diese war bis 1984 der grösste Arbeitgeber in Cork und die Schliessung der Fabrik bedeutete nicht nur die Vernichtung von tausenden Arbeitsplätzen, sondern auch den Niedergang des Automobilbau in Irland.
Wir begeben uns auf den letzten Teil der Rundwanderung um Shannonvale und überqueren dazu nochmals den River Ardigeen über eine gusseiserne Brücke unter welcher ein Pferd friedlich Gras vor sich hin kaut. Der Rückweg ins Dorf ist nun nicht mehr sehr spektakulär. Er führt vorbei am Rugbyfeld des Clonakilty RFC und schliesslich einer grossen Strasse entlang zurück zu Phairs Pub. Slainté!
Zwei interessante Details gibt es auf dem Rückweg. Einerseits die alten Eisenbahnschienen, welche heute als Geländer an der Strasse dienen sowie die letzten sichtbaren Spuren der alten Bahntrasse. Das zweite Bewundernswerte auf dem Rückweg ist der Blick auf die alte Mühle, welche von hier aus nochmals sehr schön sichtbar ist.
Alles in allem scheint der Rundweg um Shannonvale zunächst ziemlich unspektakulär. Aber der Weg lohnt sich nicht nur wegen der reizvollen Landschaft, sondern auch wegen der überraschend vielseitigen und faszinierenden Geschichte des Tales.
Die Wanderung auf einen Blick
Shannonvale Walk, Co. Cork
Routentyp: Rundwanderung
County: Cork
Parken: Phair’s Pub in Shannonvale
Nächstgelegene Ortschaft: Clonakilty
Familien/Kinderfreundlich: Ja
Hunde: sind an der Leine zu führen
Rollstuhlgängig: Nein
Länge: 6.4 km
Dauer: 1:45h
Schwierigkeitsgrad: Leicht
OSI Karte: Nummer 87*
Startpunkt: 51.646763,-8.881633
Endpunkt: 51.646763,-8.881633
Tourdaten und Höhenprofil
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Empfohlene Literatur
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Hallo Reto,
das ist ein sehr schöner Beitrag – ich denke, dass ich nächsten diese Tour mit meiner Frau laufen werde.
Weiter so.
Gruß
Thomas
Hi Thomas, Super! Freut mich wenn dich der Beitrag inspiriert hat diese Wanderung auch zu unternehmen. Genau dazu ist der Blog ja auch da. Er soll Tipps geben und Inspiration vermitteln. Grüne Grüsse, Reto