Wohl kein anderer prägte im den irischen Freiheitskampf im Beginn des 20. Jahrhunderts dermassen wie Michael Collins. Noch heute Ranken sich etliche Mythen um seine Person. Vor allem die Frage, ob Michael Collins nun als Held oder doch als Verräter angesehen werden soll löst in Irland noch heute Diskussionen aus. Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse führt uns zur richtigen Antwort. Falls es diese überhaupt gibt.
Der junge Michael Collins
Michael Collins wurde in eine für irische Verhältnisse recht wohlhabende Familie als jüngstes von acht Kindern geboren. Sein Geburtshaus liegt in Sam’s Cross, ganz in der Nähe des Geburtsortes seiner Mutter, Mary Anne O’Brien. Sein Vater, ebenfalls Michael, war ein Mitglieder der “Republikan Fenian Movement”, aber er verliess die Gruppe um sich voll und ganz der Bewirtschaftung des Landwirtschaftsbetriebes zu widmen. Als Michaels Eltern 1876 heirateten war sein Vater bereits 60 Jahre alt und seine Mutter gerade mal 23 Jahre alt. Kurz vor seinem Tod 1896 wandte sich Michael Senior zu seiner Familie und sagte Ihnen, sie sollen besonders auf Michael aufpassen. Eines Tages würde er ein grossartiger Mann werden und grosse Arbeit für Irland leisten.
“One day he’ll be a great man. He’ll do great work for Ireland.” Vater von Michael Collins kurz vor seinem Tod
Bereits früh interessierte sich Michael für irische Geschichte. Der Schmied seines Heimatortes, James Santry, und sein Lehrer an der Lissavaird National School, Deniy Lyons, förderten Michael früh. Auch spielte er Hurling und früh in der Gaelic Athletic Association (GAA) aktiv. Mit 13 Jahren wechselte Michael die Schule und besuchte fortan die Clonakilty National School. Er lebte die Woche hindurch bei seiner Schwester Margaret und dessen Ehemann Patrick O’Driscoll. Patrick war Gründer und Herausgeber der Zeitung “The West Cork People” und Michael half ihm beim Verfassen der allgemeinen Berichterstattung. Mit 15 verliess Michael die Schule und fing bei der Royal Mail an bevor er 1910 nach London zu seiner Schwester Hannie übersiedelte und am King’s College studieren konnte. Er nahm rege am Leben der irischen Migranten teil und durch seine Aktivitäten bei der GAA lernte er den ebenfalls aus Cork stammenden Sam Maguire kennen. So trat Michael Collins 1915 der Irish Republican Brotherhood (IRB) bei.
Michael Collins Rolle im Osteraufstand
Collins kehrte kurz vor dem Osteraufstand 1916 nach Irland zurück. Der Aufstand war gerade in der entscheidenden Phase der Planung und Michael kam schnell mit der Führung der IRB in Kontakt. Aus militärischer Sicht verkam der Aufstand zu einem Desaster und Collins schimpfte über die ungeschickte Vorgehensweise. Statt einzelne Gebäude zu besetzen hätte Collins lieber auf eine Guerillataktik gesetzt. Dieses Vorgehen sollte er später im Unabhängigkeitskrieg (1919 – 1921) einsetzen können. Während die Anführer des Osteraufstandes gefangen genommen und im Kilmainham Goal hingerichtet wurden, wurde Michael Collins inhaftiert und ins Frongoch Internment Camp in Wales gebracht. Dort konnte er viele Kontakte mit Republikanern knüpfen und hier erhielt er den Spitznamen “Big Fellow”. Im Lageralltag stellte er sein Organisations- und Führungstalent unter Beweis und nach seiner Entlassung im Ende 1916 kehrte er nach Irland zurück um sich Sinn Fein anzuschliessen. Bereits knapp ein Jahr später war er Vorstandsmitglied der noch jungen Partei.
Die Wahl ins britische Unterhaus und die Gründung der IRA
Im Dezember 1918 kandidierte Collins, wie viele führende Sinn Fein Mitglieder, für die Wahlen um einen Sitz zum britischen Unterhaus. Im Voraus kündigte die Partei an die gewonnen Sitze nicht einzunehmen und so blieben 73 der 105 irischen Sitze im Unterhaus leer. 24 der siegreichen Kandidaten, die anderen sassen zu dem Zeitpunkt im Gefängnis, konsultierten sich am 7. Januar 1919 im Mansion House in Dublin als irisches Parlament (Dail Eireann).
Collins half im Februar 1919 mit ein hochrangiges Mitglied von Sinn Fein, Eamon de Valera, aus dem Gefängnis im englischen Lincoln zu befreien. De Valera wurde zum Leiter der provisorischen Regierung gewählt und Collins hielt es daraufhin für entscheidender den Kampf für die Unabhängigkeit Irlands nicht auf dem politischen, sondern auf dem Weg des bewaffneten Untergrundkampfes zu suchen. Collins wurde daraufhin Geheimdienstchef der aus der Irish Volunteers hervorgegangenen Irish Republiken Army (IRA).
Der Unabhängigkeitskrieg
Collins wurde im April 1919 als Finanzminister in die provisorische Regierung berufen. Diese Rolle mussten er und seine Gefährten hauptsächlich im Untergrund ausüben, da die Briten ein hohes Kopfgeld auf sie ausgesetzt hatten und die Regierungsmitglieder in ständiger Verhaftungsgefahr standen. Trotzdem musste Geld für den Unabhängigkeitskampf beschafft werden und Collins lancierte eine Nationalanleihe. Diese wurde von den Briten zwar sofort verboten, aber aus den USA sowie aus Irland selbst konnte so trotzdem viel Geld für Waffen beschafft werden.
Der umtriebige Collins gründete, in seiner Rolle als Leiter des Geheimdienstes der IRA, zum Zwecke der Spionageabwehr eine Kommandoeinheit. Diese wurde unter dem Namen “Die zwölf Apostel” bekannt. Der Einsatz der Kommandoeinheit verfehlte seine Wirkung nicht, denn immer häufiger wurden Polizisten und Angehörige der britischen Administration in Irland Opfer von Anschlägen. Im Verlaufe des Morgens des 21.11.1920 wurden insgesamt 12 britische Agenten getötet. Die brutalen probritischen Auxiliares und die verhassten Black and Tans feuerten daraufhin am selben Nachmittag im Croke Park in die Zuschauer eines Football-Spieles. 14 Zivilsten wurden dabei getötet. Dieser Tag ging als der erste Blutsonntag in die irische Geschichte ein.
In dieser Zeit entwickelte sich unter der damaligen irischen Führung auch Rivalitäten. Zum Gegenspieler von Collins wurde der Hagere de Valera, welcher aufgrund seiner dürren, langen Gestalt “The Long Fellow” genannt wurde.
Der Anglo-Irische Vertrag
Sowohl die Briten wie auch die Iren kamen im Jahr 1921 zur Erkenntnis, dass die Weiterführung des Krieges keiner der Parteien etwas bringen würde. Niemand sah für sich eine Möglichkeit seine Begehren auf militärischer Weise zu gewinnen. De Valera fuhr im Juli 1921 zwecks Verhandlungen nach London, aber er und seine Gegenspieler konnten sich nicht einigen. So wurde im Oktober 1921 eine zweite Verhandlungsrunde angesetzt. Diesmal durfte, neben Arthur Griffith als Leiter der Delegation, auch Michael Collins mit zu den Verhandlungen. Am 6. Dezember 1921 schliesslich wurde der Anglo-Irische Vertrag unterzeichnet. Dieser sah vor, dass ein irischer Freistaat gegründet werden konnte. Der Haken an der Sache war, dass die sechs nordirischen Countys das Recht erhielten aus dem Freisaat auszutreten. Was diese auch umgehend Taten. Viele Iren sahen deshalb im Anglo-Irischen Vertrag einen Verrat. Ausserdem war der Freistaat ein sogenannter Dominion – also eine sich selbst verwaltende Kolonie des britischen Reiches. Dies hätte unter anderem bedeutet, dass die Mitglieder des irischen Parlamentes auf die britische Krone schwören mussten. Auch die Kontrolle über einige irische Häfen liessen sich die Briten im Vertrag notieren.
Der Ausbruch des Bürgerkrieges
Collins stand weiter hinter dem Vertrag, da er diesen für den Moment als das maximal Erreichbare hielt. Er befürchtete ausserdem, dass die mittlerweile geschwächte IRA den Kampf nicht fortsetzen konnten. Rund 200 IRA-Mitglieder, welche gegen den Vertrag waren, besetzten im April 1922 das Gerichtsgebäude Four Courts in Dublin. Collins griff nicht ein und liess die Männer gewähren. Kurze Zeit später wurde in London Henry Hughes Wilson, ein ehemaliger britischer General von zwei IRA-Männern erschossen und der General des Freistaates von den Besetzern entführt wurde musste Collins handeln. Der Beschuss des Four Courts mit zwei von den Briten geliehenen Kanonen markierte den Beginn des irischen Bürgerkrieges zwischen den Mitgliedern der Anti-Treaty IRA und den Truppen des Freistaates. Collins übernahm den Oberbefehl der Armee des Freistaates.
Der Tod von Michael Collins
Als Oberbefehlshaber der Armee reiste Collins Ende August 1922 in den County Cork. Einerseits war er dort geboren und er hatte seiner Meinung nach nichts zu befürchten dort. Andererseits war Cork eine Hochburg der Vertragsgegner. Auf dem Rückweg von einem Verwandtenbesuch geriet seine Wagenkolonne Nahe dem Dorf Béal na mBláth in einen Hinterhalt der IRA-Vertragsgegner.
Yerra, they’ll never shoot me in my own county.
Collins zu Joe O’Reilly kurz vor seiner Reise nach West Cork in August 1922.
Collins hätte in seinem gepanzerten Leyland Eight fliehen können, er entschied sich aber auf ein Feuergefecht einzulassen. Dieses begann um ca. 20.00 Uhr Abends und dauerte rund 20 Minuten. Es endete damit, dass ein einziger Mann starb. Michael Collins.
Bis heute ist umstritten wer Michael Collins erschossen hat. Es gab viele Theorien, eine davon besagt, dass es ein eigener Mann war welcher bei der Bedienung des Maschinengewehrs einen Fehler machte und Collins von Hinten in den Kopf traf. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass Denis “Sonny” O’Neill Michael Collins erschossen hat. Mitstreiter von O’Neill sagten später aus, dass Denis und die Anderen unter argen Beschuss durch die Freistaatler kamen und auf der Flucht zurückgeschossen hätten. Eine der Kugeln habe Collins fatal in den Kopf getroffen.
Collins Leichnam wurde im Schutze des gepanzerten Wagens nach Cork gebracht und anschliessend per Schiff nach Dublin. Schätzungsweise 500’000 Menschen kamen zur Beerdigung von Michael Collins. Dies entsprach einem Fünftel der damaligen Bevölkerung Irlands.
Michael Collins – Verräter oder Held?
Da du bis hierhin durchgehalten hast, möchte ich die Eingangs erwähnte Frage beantworten. Ist Michael Collins ein Nationalheld oder ein Verräter? Bei unserem Besuch in Clonakilty hatte ich klar den Eindruck, dass Collins dort als Held gefeiert wurde. Ich persönlich habe den Eindruck, wie viele wirkliche Kenner der Geschichte auch, dass Collins von Eamon de Valera verraten wurde. De Valera ging nicht selbst zur zweiten Verhandlungsrunde nach London, sondern schickte Collins nachdem er selber gescheitert war. De Valera wusste genau, dass Collins – von den Engländern als der eigentliche Verhandlungsführer angesehen – allerhöchstens einen Vertrag mit den genannten Nachteilen aushandeln können würde. Dazu kommt, dass man bis heute nicht weiss wer den Anschlag auf Collins inszeniert hatte und ob De Valera seine Finger hier im Spiel hatte. Die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren. Für mich persönlich aber ist Michael Collins definitiv ein Held.
Wow, viel Arbeit hier in diesem Artikel.
Ich würde nicht soweit gehen Collins als Held zu bezeichnen – er war aber auch sicher kein Verräter. Ich denke, er wurde oft vorgeschoben, war mehr, als er eigentlich sein wollte. Und ist daran letztendlich zerbrochen. Deine Meinung zu de Valera teile ich im Übrigen.
Das tut gut, wenn ein erfahrener Irland-Blogger sieht wie viel Arbeit in einem Artikel steckt! Ja, vielleicht ist die Bezeichnung Held gerade etwas übertrieben. Aber auf der Skala zwischen Held und Verräter ist er sicherlich näher am Helden dran 😉